09.12.2010

Donnerstag

Dieser Winter ist wie jeder Winter in meiner Kindheit. Zumindest in meiner Erinnerung. Alles weiß und es segeln dicke Engelmannsflocken vom Himmel. 

Die dicken schönen Flocken sind nach meiner ersten Lehrerin benannt. Man könnte sich da eine gemütliche, lustige, dicke Frau vorstellen, die Kindern gern mochte und nach Zimtsternen roch. 
Außer dick, war sie nichts davon. Sie hatte gelben Zähnen, trug ihre gefärbten Fusel von Haaren  zu einer Dauerwelle. Sie hatte Sommers wie Winters eine Kittelschürze aus Dederon an, meist in blau mit Blümchen. Obenrum nichts drunter, was immer für Sicht auf ihren hautfarbenen riesigen BH sorgte. Sie roch auch nicht gut. Das überprüfte sie auch häufig, indem sie sich vor der Klasse am Hintern kratzte und dann an den Fingern schnüffelte.
Sie ließ häufig  einem Plastikzeigstock auf den Tisch knallen. Das war laut. Sie zerrte auch am Armen, meist von den Jungs. Mädchen mochte sie mehr. Sie war unfair.
Aber sie hat mir Lesen, Schreiben und Rechnen gelernt. Naja, Lesen und Schreiben. Rechnen ist das nicht was ich mache, ich nähere mich dem Wert eher an. 

Da sie auch die Lehrerin meines Bruders war und somit acht Jahre Teil unseres Familienlebens, kamen die dicken Schneeflocken so zu ihrem Namen. Denn mein Vater mochte weder meine Lehrerin, noch mag er den Winter. Wenn es schneit, steht er häufig vor dem Fenster, starrt die Schneeflocken an und ruft:"Ich hasse jede einzelne von Euch."