18.08.2012

Der Kenner und ich bei den Bayreuther Festspielen


Ist schon etwas länger her, aber immernoch aktuell:

Der Kenner, in dem Fall mein Vater, hat seit einigen Jahren immer Karten für die Festspiele in Bayreuth. Wie, warum und weshalb weiß ich. Aber ich weiß nicht, ob ich das publizieren darf. Die Kartenübergabe läuft auch ähnlich einem kolumbianischen Drogendeal. Diesmal hatte ich das Glück, ich durfte mit.


Der Kenner nähert sich dem Festspielhaus von hinten, weil man da mehrere Möglichkeiten des Parkens hat. Allerdings verpasst man dann die Anfahrt  und Sicht auf das Festspielhaus und es erklärt sich nicht gleich warum es auf dem Hügel heißt. Aber einmal vom Kenner ums Haus geschickt und man ist informiert.

Dann unterscheidet den Kenner vom Festspieltouristen (mich) was ganz entscheidendes: ein Sitzkissen. Wer da schon häufiger war, kommt, und das völlig zu recht, mit Sitzkissen. Papi hatte mir auch eins zugedacht. Meine Handtasche war, Gott sei Dank, groß genug. Denn sonst wären wir mit Plastikbeutel von Wressmann herumgelaufen. Der uns dann, nur ganz dezent, als gelernte Ossis kenntlich gemacht hätte.

Die Karten zur Generalprobe sind kostenlos und werden über Angestellte vergeben, die sie dann weiterverschenken. Man sollte sich wohl auch nicht dabei erwischen lassen, diese verkaufen zu wollen.
Der Nachteil der kostenlosen Karten kann jedoch darin liegen, dass Herr Wagner vor dem Vorhang steht und sagt: „Ihr dürft alle wieder gehen, heute ist nichts mit Generalprobe.“ Dies kam aber bei uns nicht vor. Als Zuschauer einmal in der Generalprobe gebuht haben, hat er sich das verboten. Wir haben alle ganz artig geklatscht.

Ein Herr, der mir aufgrund seiner latenten Attraktivität aufgefallen ist, suchte nach Karten, als wir rein gingen. In der Pause zum 2. Akt habe ich ihn dann im Parkett wieder gesehen. Also, scheinbar hat man Chancen wenn man sich einfach mal davor stellt, mit einem Schild in der Hand: „Suche Karten“. Seine latente Attraktivität hat ihm dabei evtl. geholfen. Hätte ich zwei Karten nebeneinander gehabt, dann...nein, natürlich hätte ich mich dann nur gefreut, neben meinem Vater sitzen zu dürfen.

Man muss seinen Namen auf der Karte eintragen, unterschreiben und Pass oder Personalausweis dabei haben, um reingelassen zu werden. Das war mehr Zufall, dass ich meinen dabei hatte. Denn diese Information gab mir der Kenner erst, als ich aus Berlin am Treffpunkt angereist war.
Karten in der normalen Vorstellung kosten so um die 250,- was ich jetzt nicht soviel finde. Wenn man’s personenbezogen rechnet und dabei beachtet, das bei Jack Johnson in der Wuhlheide die Karte 45,- gekostet hat und da nur max. 13 auf der Bühne standen. Da ist das bei Wagner ein besserer Schnitt, da waren schon im Chor alleine 180 Personen auf der Bühne.

Wenn man dann einmal drin ist, glaubt man nicht wieviel Mensch man in diesen Raum zwängen kann. Und diese dazu zwingt auf Holzstühlen mit einem Hauch von Polster zu sitzen. Ja, aber ich hatte ja meinen Popsfreund, das Sitzkissen. Die Aufpolsterung, erzählte mir der junge Mann neben mir, erfolgte erst vor 25 Jahren. Wagner wollte es ganz schlicht haben, denn Polster frisst Klang und ihm ging es eben nur um die Musik.

Dann hab ich mir aber überlegt, wenn Polster Klang frisst, dann frisst doch sicherlich auch Mensch Klang. Warum haben die dann nicht nur jeden zweiten Stuhl aufgestellt, dann hätte man sich vielleicht bewegen können. Ich hab keine Ahnung, wie es Menschen machen die 1,90m sind. Wenn ich mit meinen 1,65m schon mit den Knien an die Vorderlehne stoße und ich noch nie 5 Stunden so gerade und bewegungslos gesessen habe, ist mir das völlig unklar, wie das Menschen machen, die nicht so erdnah sind wie ich.

Ich saß, wie alle anderen auch, neben zwei völlig Fremden. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass man Karten nebeneinander bekommt, ist ganz gering. Aber besser als Bekannte, die hatten auch 2 Karten, allerdings an unterschiedlichen Tagen jeweils eine. Aber die zwei Fremden waren sehr nett, wir haben uns gut unterhalten, wir hatten ja auch ein gemeinsames Thema, die Enge.

In der Pause geht es zum Auto zurück, wo ein Picknick stattfindet. Tradition!
Die besten Toiletten sind, laut Kennerangaben, ich hab mich mal drauf verlassen und keine anderen getestet, im Restaurant, reinkommen, gleich links.
Der Kaffee kostet 3,50€ das geht.

Im Publikum: schwarzbebrillten Mac-Owner-Kreative, bedirndelte Hausfrau, Abo-Opern-Gänger, Dauersonnengebräunte und der Typ der aussieht, als würde er gleich auf einer Panflöte blasen, war auch da. Und von der aufwendigen Abendgarderobe bis hin zum Schlumpflook hatten sie alles an. Schön wäre gewesen, wenn Figur und Dress immer zusammengepasst hätten. Aber das Leben ist nun mal kein Ponyhof und eine Steigerung fürs nächste Jahr muss ja drin sein.

Zusammengefasst kann man sagen, wer zu den Festspielen geht, der Festspiele wegen und Opern nicht mag, der sitz beengt, ohne Klimaanlage 5 oder auch 7 Stunden in einer endlosen Wagneroper. Und Promigucken ist auch nicht, weil Logen nicht um den ganzen Raum gezogen sind, sondern nur unmittelbar hinter dem Parkett. Das ist dann schon unangenehm, wenn man immer mit dem Rücken zur Bühne sitzt. Außerdem wäre auch nicht soviel Raum, um sich umzudrehen
Wer hingeht weil er Wagner mag, wird das enge Sitzen und die mangelnde Belüftung - ist nur eine Frau umgekippt - vergessen, weil die Musik so schön ist und die Zeit vergeht ganz schnell. Und so war’s auch. Die Meistersinger von Nürnberg waren toll. Die Besetzung des Hans Sachs ist unglaublich.